Eröffnungsrede anlässlich der 16. Ausstellung in der Kunsttreppe mit Arbeiten von Bernd Fischer, am 29.03.09
Bernd Fischer hat besonderen Wert darauf gelegt seine Arbeiten in die vorhandene Sammlung zu integrieren. Seine Werke wirken dadurch im Kontext selbstverständlich und nicht wie Werke, die andere vertrieben haben, um den eigenen Platz zu machen.
Die eigenwillige Präsentation der Arbeiten öffnet sich daher erst dem zweiten Blick.
Es beginnt hier oben mit Bildern von Zwergtauchern, deren Körper sich halb auf und halb unter der Wasseroberfläche befindet. Der schwankend bodenlose Zustand, in dem sie sich befinden, wird durch die Technik und Hängung betont, die den schwimmenden Vögeln einen vor dem Himmel schwebenden Zustand geben. Technisch handelt es sich hierbei um eine zeichnerische Glasmalerei mit Schwarzfarbe. Das ist eine keramische Glasmalfarbe, die die Eigenart hat auch beim auf beiden Seiten verwendet werden zu können.
Bernd Fischer nimmt sich gleichwohl die Freiheit nur von einer aber auch von zwei Seiten zu malen. Die Farbträger, zarte quadratische Glasscheiben sind in feine Bleiglasrahmen gefasst und an grazilen Ketten aufgehängt. Diese zurückhaltende Präsentation des Motivs verstärkt den schwimmend -schwebenden Charakter der Vögel. Eine Besonderheit, die sowohl die meisten Beobachter nicht bemerken und die auch fast alle künstlerischen Darstellungen ignorieren, ist die Zweiteilung der Vögel durch die Brechung des Lichtes im Wasser.
Bernd Fischer illustriert hier eine ihn motivierende Erkenntnis, in dem er sagt, dass das meiste, was die Menschen bewegt in irgendeiner Form unsichtbar ist. Seien es Gefühle oder Gedanken, die sich im Gesicht widerspiegeln; hier die Zwergtaucher über oder unter dem Wasser oder der Eisberg und der restliche Eisbergspitze. Immer verhält sich das Sichtbare zum Unsichtbaren in einer rätselhaften Relation.
Bernd Fischer’s Thema ist, mit den beschränkten menschlichen Möglichkeiten, die Welt zu verstehen, in der er lebt und deren Teil er ist. Er lädt sich damit die Lasten eines Sisyphos , das heißt unlösbare Aufgaben auf, wohl wissend, dass zur Welt gehöre, was das Auge sieht und was es nicht sieht; was der Mensch weiß und was er glaubt. Diese Weltwahrnehmung zieht sich wie ein Leitmotiv durch das bildnerische Denken und Schaffen von Bernd Fischer.
Bereits seine Astronautenbilder, vor Jahren durch die Degussa AG erworben, zeigen die Begrenztheit und Fragilität des Menschen. Will man im Bild des Eisberges bleiben, ist die Spitze, d.h. was man wahrnimmt und versteht, unendlich viel kleiner, als der Rest des Eisberges, den man nicht sieht. Die Moderne hat den Mythos des durch den Sisyphos durch den Mythos des Unterganges der Titanic ersetzt.
Das Interesse Bernd Fischer’s am Verhältnis zwischen Sichtbaren und Unsichtbaren fand selten einen geeigneteren Ausstellungsort wie hier, der Kunsttreppe im Hospital zum heiligen Geist.
Gehören doch gerade Ärzte wie Künstler Berufsgruppen an, die hinter dem Sichtbaren das Unsichtbare nicht nur erkennen wollen, sondern auch müssen. Auch hier wird die Begrenztheit der menschlichen Wahrnehmung mit Hilfe von technischen Mitteln erweitert, die sich in einer zunehmenden Beschleunigung befinden.
Dass Bernd Fischer von einer der medizinisch- technischen Pioniertaten, dem Röntgenbild, fasziniert ist, leuchtet daher sofort ein. Denn hier sieht er eine Parallele zur Auffassung von Kunst: sichtbare Formulierungen für unsichtbare Inhalte zu finden. Das Röntgenbild inspiriert Bernd Fischer, Bilder des Menschen jenseits des Sichtbaren zu thematisieren.
Begann er seine künstlerische Karriere vorwiegend als Maler und Zeichner, so verwendet er heute neben traditionellen Techniken, vorwiegend auch technische Verfahren unserer Zeit. Dazu nutzt er die visuellen Möglichkeiten der neuen Medientechnik mit ihren besonderen Rasterverfahren. Ein Beispiel dafür ist die 18.teilige Arbeit „Ohne Titel “ aus dem Jahr 2005. Hier ist das Motiv auf Grund der Vergrößerung des Rasters nicht mehr erkennbar und für den Betrachter nur noch ein verschiedenfarbig vibrierender Rhythmus.
Bernd Fischer hat in Zusammenarbeit mit einem Techniker einen gegenüber dem Industriestandart dreifach vergrößerten Raster verwendet.
Die Auseinandersetzung mit Sichtbaren und Unsichtbaren demonstrieren ebenfalls eine vierteilige Gruppe auf mehrfarbigen selbst geschöpften Papier mit dem vertrauten Motiven Ohr, Hand, Auge, Fuß. Dabei handelt es sich um unsere wichtigsten Sinnesorgane, die ihre Wirkung mit Hilfe von Nerven entfalten. Würde man, so Bernd Fischer’s Überlegung, die Proportionen des Sichtbaren, d.h. Hände, Füße, Augen und Ohr nach der Anzahl des Unsichtbaren, d.h. der Nervenenden gestalten, käme man zu ganz anderen Größenverhältnissen wie z.B. riesigen Füßen, weil sich dort besonders viele Nerven befinden.
Auffallend sind die gerasterten Arbeiten auf Glas. Es handelt sich dabei um filterfreies Sekuritglas auf dem die lichtresistenten keramischen Glasfarben mit Jahrhunderte langer Haltbarkeitsgarantie eingebrannt sind. Im Unterschied zu Bildgeschichten gotischer Kathedralen handelt es sich hier jedoch um gerasterte Motive im Siebdruckverfahren, die Bernd Fischer zusätzlich mit Pinsel und Lappen ergänzt, verfeinert hat. Um den Gesamteindruck weniger technisch erscheinen zu lassen.
Im Treppenverlauf von unten nach oben umgekehrt finden sie Beispiele dafür in grünen, blauen und gemischten Farben.
Man kann Bernd Fischers Mut nur bewundern, sich gerade den für Menschen unlösbaren Problemen zuzuwenden, denn bereits vor über 2,5 Jahrtausenden stellte Xenophon fest, dass alle unendlichen Vorstellungen auf den vorstellenden Menschen bezogen blieben und deshalb Schein über alles gebreitet ist.
Bernd Fischer versucht gleichwohl, auch immer wieder im Studium vor der Natur, besonders bei der Beobachtung von Tieren, die aus archaischen Epochen zu stammen scheinen, mit Leguanen, und Nashörnern dem Sichtbaren weitere Ebenen des Sichtbaren zu erschließen, wie man das bei den schönen Zeichnungen in Aquarell- oder Pastellkreidetechnik sieht.
Ingrid Mössinger Studium der Kunstgeschichte, Archäologie, Ethnologie und Philosophie in Frankfurt am Main Berufliche Stationen: Museum Wiesbaden, Frankfurter Kunstverein und Biennalen of Sydney, anschließend Direktorin der Art Frankfurt und des Kunstverein Ludwigsburg.
Seit 1996 Direktorin der Kunstsammlungen Chemnitz und
seit 2005 Generaldirektorin der Kunstsammlungen Chemnitz mit Carlfriedrich Claus-Archiv, Museum Gunzenhauser, Schlossbergmuseum, Van de Velde-Museum in der Villa Esche.
2006 Ernennung zum Chevalier de la Légion d’Honneur
2007 Verleihung des Verdienstordens der BRD
Die „Kunsttreppe“ im Hospital zum Heiligen Geist in Frankfurt am Main, Ein Ort temporärer Ausstellungen mit permanenter Sammlungspräsentation regionaler Gegenwartskunst.
Eine Privatinitiative von Ärzten des Hauses und Frankfurter Bürger.