von Bernd Fischer – jugend-kultur-kirche-st-peter Frankfurt/Main.
Aus: „Siehe! Zeitgenössische Kunst in evangelischen Kirchen“, Herausgeber Markus Zink und Martin Benn, Heft 108 Zentrum Verkündigung der EKHN, Frankfurt 2007
Einen „Herzraum“, wie ihn der Künstler nennt, zu gestalten war in st-peter eine vielschichtige Aufgabe. Zum einen sollte der Raum für Stille und Meditation dienen, zum andern auch für Gruppen bis zu 45 Personen als Gottesdienstraum geeignet sein. Zusätzlich musste die starke Vorprägung des Raums durch seine frühere Nutzung als Empore Teil des neuen Konzepts werden. Vom Eingang links gesehen, gibt es drei lange, treppenartig nach links ansteigende Sitzreihen. Hinter ihnen ein langes Band alter etwas düster wirkender Kirchenfenster. Eine Quernutzung des Raumes ist somit vorgegeben.
Als Eingang zum Treppenhaus entschied sich Bernd Fischer für eine satinierte Glastür, die beidseitig mit einem Bibelvers versehen wurde. Sie wirkt durch ihre unterschiedliche Lichtwirkung nach außen und innen wie eine Membran zwischen Alltagsgeschehen im Treppenhaus und „heiligem Raum“ im Inneren. „Der Boden ist grundlegend und von tragender Bedeutung, physisch und psychisch“. Seinen Worten folgend gestaltete der Künstler den Fußboden aus massiver Eiche. Analog der geglaubten Tragfähigkeit des Evangeliums ließ er auch den Altar (1mx1mx1m) aus gleicher Eiche bauen und in die Mitte vor den Sitzreihen als Raumzentrum „ aus der Erde wachsen“. In die drei Sitzreihen wurden Polster in den Farben gelb, rot blau eingelegt, „damit man die Möglichkeit hat, sich auf gelb, rot und blau zu legen“. Über dem Altar links wurde ein von Bernd Fischer gestaltetes Kreuz angebracht. Für die eher individuelle Nutzung, gestaltete der Künstler an der gegenüberliegenden Seite des Eingangs sehr geschickt ein eigenes räumliches Zentrum. Dort wurden vier unterschiedlich lange Kerzenschienen für das Entzünden von Kerzen angebracht. Ihr Licht prägt beim Betreten des Raumes den ersten Eindruck.
Rechts daneben, auf der Wand des Kreuzes, wurde eine Ablage montiert, auf der Karten liegen, um ein Gebet darauf zu schreiben. Darüber können die Gebete auf Schienen neben das Kreuz gestellt werden. Vor diese Meditationszone von Kerzen- und Gebetswand platzierte der Künstler drei kleine Bänke, um dem Betenden die Möglichkeit zu geben beim Gebet zu verweilen.
Die Stimmung eines „Raums der Stille“ ist sehr von seiner Lichtqualität abhängig. Der Raum in st-peter ist von drei Lichtquellen bestimmt. Zum ersten bei Tage von den alten Kirchenfenstern, die ein diffuses aber besonderes Licht einlassen. Die Grundausleuchtung wird durch neun Deckenleuchten gewährleistet, die nach einem Notenausschnitt aus dem Stück „Ayre“ von John Blow angeordnet sind. So schwebt diese Klan gfolge Blows vom Licht inszeniert über dem Raum. Als dritte besondere Beleuchtungsmöglichkeit installierte Fischer in den Wänden neben den Sitzreichen 195×107 große gelbe Glaswände, die von hinten beleuchtet werden. Auf ihnen sind schwach lesbar Bibelverse aufgedruckt. Diese Wände wirken wie Türen in angrenzende Lichträume, die durch im Raum schwebende Worte des Evangeliums herüber scheinen. Ihr Licht wirkt meditativ und mystisch. Dem Künstler gelingt es auf vortreffliche Weise eine sinnlich erfahrbare Korrelation von Gotteswort und Licht zu gestalten. Beide künstlichen Lichtquellen sind unterschiedlich schaltbar.
Dem Kreuz Bernd Fischers liegt eins seiner Tafelbilder zu Grunde. In diesem, wie in vielen freien Arbeiten, versucht der Künstler, Dinge sichtbar zu machen, die Teil unseres Lebens sind, die sich aber unserer Wahrnehmung entziehen. Frühe Arbeiten beschäftigten sich mit der Ikonographie des Alls, seit einigen Jahren stehen im Zentrum seiner Arbeiten radiologische Aufnahmen. Seine Bilder sind somit geprägt von einem archiologischen und einem aufklärerischen Aspekt. Er erweitert den Erfahrungshorizont des Betrachtenden, indem er seinen Kontext freilegt, sichtbar macht und neue Perspektiven gestaltet.
Ein Röntgenbild ist auch der Ausgangspunkt der Arbeit, die seinem Kreuz zu Grunde liegt.
Dieses Röntgenbild ist per Siebdruckverfahren auf einen grundierten Zeichenkarton (185×115) aufgedruckt. Abgebildet sind innere Räume des Menschen von Kopf und Wirbelsäule. Anschließend wurden Teile des Bildes durch Übermalungen und Verwischungen überlagert und verändert, sodass weiter Bildebenen entstehen. Aus diesem Bild hat der Künstler ein Kreuz ausgeschnitten, dessen zurückbleibende Negativform so Teil der abgebildeten menschlichen Innenwelten wird. Es entsteht durch alle Bildebenen hindurch ein kreuzförmiges Loch im Bild, das über das Bild und damit über das menschliche Sein hinaus weist, auf das, was hinter dem Leben steht. Ebenfalls verbindet das Kreuz dadurch das Bild noch intensiver mit dem Raum und damit auch mit dem, der ihn betritt.
Der auf gestalterischer wie meditativer Ebene hervorragend gelungene Raum Bernd Fischers erfährt im „Bildkreuz“ seinen ästhetischen wie theologischen Höhepunkt.