Auszug aus einer Ansprache von Ursula König
anlässlich der Übergabe der Gedenktafeln an die Schulgemeinde
der Frankfurter Georg-Büchner-Schule am 19.10.2002
… Es ist sicher kein Zufall, dass im Zusammenhang mit dem Projekt an der Georg-Büchner-Schule eine Verbindung zu Bernd Fischer entstand. Er ist ein Künstler, der sich in besonderer Weise mit den Fragen „was ist der Mensch“, „wie nimmt der Mensch die Welt wahr“, „wie reagiert der Mensch auf Welt“, beschäftigt.
Sein Hauptwerk ist geprägt von großformatigen Malereien, die mit mittels Siebdruck aufgebrachten Röntgenaufnahmen unterlegt sind. Was sich unter der Oberfläche befindet, Vielschichtigem gilt sein Interesse. So gibt es auch eine sehr eindrucksvolle, zeitgemäße Form des Themas Portrait in seinem Werk.
Er ist ein Künstler, der immer wieder mit Sorgfalt Aufgabenstellungen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppierungen angenommen hat. So kam es zur Gestaltung des Innovationspreises der deutschen Wirtschaft, der jährlich verliehen wird. Auch den Arbeitsplatzinvestor-Preis, dem vor zwei Jahren noch ein Investorpreis für behinderte Arbeitnehmer angegliedert wurde, hat Bernd Fischer gestaltet.
Die Arbeitsgemeinschaft „Spurensuche“ der Georg-Büchner-Schule ist in mühsamen Recherchen dem Leben der ehemaligen Schülerin Lore Breslau nachgegangen, um das Schicksal dieses Mädchens in Erinnerung zu rufen. Diese Erinnerungsarbeit findet nun in zwei Gedenktafeln ein bleibendes Zeichen. Bernd Fischer hatte die Aufgabe, eine Gedenktafel für Lore Breslau und das ihr beigeordnete Gedicht von Rose Ausländer zu gestalten. Wie geht ein Künstler mit dieser komplexen Aufgabe um.
Sprache geht erschreckend sachlich um mit dem, was sich an Leid hinter diesen kurzen Sätzen verbirgt. Bernd Fischer schuf zwei Tafeln, die eine hätten sein können, die aber in ihrem Getrenntsein Ausdruck ihrer Verschiedenheit sind. Eine Verschiedenheit, die auf ein Gemeinsames verweist.
Für beide Tafeln wurden geschichtete Aluminiumplatten verwand. Der Text, der von Lore Breslaus Leben handelt, wird lesbar durch das aus einer eloxierten schwarzen Fläche herausgearbeitete helle Metall. Das Schicksal dieses Mädchens, ihr Name, ihre Lebensdaten wird exemplarisch für viele Tausende aus dem Dunkel der Anonymität und des Vergessens in das Licht des Erinnerns und des bewußten Gedenkens der Lebenden an eine Tote geholt.
„Menschen haben mir mein Ich verboten“ schreibt Rose Ausländer. In ihre Gegenwart bricht eine dunkle Gewalt ignorierender, dunkler Herrschaft ein. Rose Ausländer schreibt mit ihren lebendigen Worten von dieser Dunkelheit. Hier sind die Gegebenheiten umgekehrt. Rose Ausländer lebt, sie ist im Licht. Als Lyrikerin, auch selbst betroffen, setzt sie ihre Kunst ein und reflektiert über Verbrechen, denen Menschen zum Opfer fallen. Aus der Helle des Lebens macht sie Schatten menschlichen Tuns sichtbar.
Der Text des Gedichtes ist in die oberste Schicht, die helle Aluminiumschicht gefräst und wird sichtbar durch die darunter liegende schwarze Schicht der Platte. Die Perspektiven der beiden Texte haben in der Thematisierung von Verbrechen gegen die Menschheit einen gemeinsamen Bezugspunkt. Die Schrift auf beiden Tafeln ist dieselbe. Das Material der beiden Tafeln unterscheidet sich und ist gleich.
Es ist Bernd Fischer wichtig, keine Farben zu verwenden. Das Material der Schichtplatten nicht nur als Träger, sondern als Sprachmittel einzusetzen, das auf den Inhalt verweist, außerdem ein zeitgemäßes Material zu wählen. Die Größe der Tafeln ergibt sich aus dem Textumfang der exakt gleichen Schriftgröße, der Zeilenabstände und der Abstände zu den Rändern. Keine Farbe ist heller als Weiß, keine dunkler als Schwarz, von Licht und Finsternis. Gott schied das Licht von der Finsternis, und Gott nannte das Licht Tag, und die Finsternis nannte er Nacht. (Genesis 3-5)
Mit knappsten gestalterischen Mitteln den komplexen Inhalten und Botschaften und dem Ernst des Gegebenen gerecht zu werden war das Anliegen des Künstlers…